Samstag, 27. Februar 2016

Wenn Eltern abgestillt werden




Wenn ein Kind geboren wird, ist das sicherlich einer der größten Momente im Leben seiner Eltern.
Ich glaube sogar, DER größte Moment, denn wahrscheinlich hält man plötzlich seine wirklich richtig große Liebe im Arm.

Eine Liebe, die garantiert, 100%ig das ganze Leben halten wird (zumindest von Seiten der Eltern).
Eine Liebe, der man wahrscheinlich alles verzeihen wird, und für die man – ja, ich sage es ganz ehrlich – vielleicht sogar morden würde. Aber im Grunde weiß man, dass ab diesem Moment das eigene Leben nie wieder so sein wird wie vorher.

Die meisten geben einen Großteil ihres alten Lebens auf, um sich voll und ganz um dieses neue Leben kümmern zu können.

Da gibt es plötzlich Freude über Dinge, die man nie kannte, und Sorgen um Dinge, die man sich nie vorstellen konnte.

Dennoch weiß ich persönlich nicht, wie oft ich, als meine Jungs noch ganz klein waren, gedacht habe, dass alles leichter wird, wenn sie erst einmal grösser sind.

Wenn sie erst einmal allein zum Zahnarzt gehen können, ich nicht bei jedem Friseurbesuch dabei sitzen muß, ich nicht mehr so häufig zur Schule muss, weil sie begriffen haben, dass ich meine dreizehn Jahre da schon voll hatte, bevor sie zur Welt kamen, ich sie nicht mehr von Pontius zu Pilatus fahren muss, nicht mehr den gesamten Tag für sie planen muss, damit es kein Betreuungsleck gibt, selbst wieder etwas mehr arbeiten kann, am Wochenende endlich wieder ausschlafen kann, weil keiner mehr zwischen fünf und sechs vor dem Bett steht, ich niemanden mehr anziehen muss und morgens Schals oder zweite Handschuhe suchen muss, bevor wir das Haus verlassen können, ich nicht mehr bergeweise Obst für die Frühstücksdosen schnippeln muss, täglich kochen muss, um dann zu hören „Schon wieder Brokkoli? Du weißt doch, dass ich den nicht mag!“- obwohl Du Dir dann sicher bist, dass es gestern noch die Möhren waren, sich irgendwann auch wirklich herausgestellt hat, dass wirklich keines dieser Kinder ein Kiss-Syndrom, Allergien, Unverträglichkeiten, ADS oder ADHS hat, stattdessen aber zwei Ohren, keine Fehlstellungen der Füsse, aber dafür an jeder Hand fünf Finger, dass nicht alle Dinge, die die Pädagogen im Kindergarten feststellten, der Realität entsprechen, die richtige Schulform gefunden ist,...
Überhaupt, wenn Du festgestellt hast, dass Lehrer alles andere als Herrgötter sind, dafür das Seepferdchen bestanden ist, Krabbelgruppen kein Thema mehr, die Kommunion erhalten und die erste Freundin ins Haus kommt.






Ja, dann, dachte ich tatsächlich damals, hätte ich das Paradies auf Erden mit meinen Jungs, wir wären immer Freunde, und die Sonne scheint den ganzen Tag.

Stimmen von „älteren“ Eltern, die besangen, „Kleine Kinder – kleine Sorgen, große Kinder….“ oder „Warte erst die Pubertät ab!“, ect. haben mich – zum Glück! – nicht weiter interessiert.

Das war auch richtig so!
Warum sich schon mit den Sorgen von Morgen befassen, die man doch noch gar nicht kennt und schon gar nicht heute ändern kann!?
Absolut richtig!

Und denjenigen von Euch, die hier mitlesen und noch kleinere Kinder oder gar Babys haben, kann ich wirklich nur ans Herz legen:
Mach das wirklich auf keinen Fall anders.

Bedenke: Dieser Post beschreibt nur, wie ich manche Dinge erlebe und sehe. Das kann bei Dir einmal ganz anders sein.
Du kannst Dir den Post durchlesen und darüber schmunzeln, aber mach Dir später Dein eigenes Bild. Manches wird sicherlich genau so kommen wie ich Dir gleich erzähle, aber das ist auch nicht schlimm, denn eines sage ich Dir an dieser Stelle ganz deutlich:
Ich finde meine Jungs toll!
Alles, was gerade ist, ist richtig!
Und unseren Weg durch die Zeit werden wir schon finden!

Jedes Alter meiner Kinder war und ist auf seine Art wunderschön – spätestens, wenn ich abends ihre schlafenden Gesichtchen im Bettchen gesehen habe. (hüstel)

Jedes Alter brachte auf die eine oder andere Weise seine Freuden aber auch seine Herausforderungen mit sich, und ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass wir bis jetzt alles gemeistert haben, und unsere Jungs im Grunde noch immer eng bei uns sind.
Mal mehr, mal weniger eben.

Dinge, die ich in anderen Familien schon länger mitbekommen habe, wie peinlich-berührt abgelehnte Gute-Nacht-Küsse oder Eltern, die von heute auf morgen nicht mehr vorzeigbar waren, kannten wir bislang nicht.
(O.k….da war dieses eine Mal morgens an der Bushaltestelle….! Da war ich wirklich sooo unglaublich peinlich!
Daher merke: Mütter, die ihren Kindern Hefte zur Bushaltestelle nachtragen, sind ein absolutes No-Go! Sogar, wenn es sich dabei um Ausarbeitungen handelt, in die Kind viel Zeit und Herzblut gesteckt hatte, und die an diesem einen Tag abgegeben werden mussten. Ja, sogar, wenn der Weltfrieden davon abhängt!)

Und, wenn ich ehrlich bin, dachte ich vierzehn Jahre nach der Geburt des Großen fast, wir hätten es geschafft.
Ich neigte dazu, zu denken, dass alles fast wie geschmiert läuft.
Fast ist der eine groß…. An körperlicher Größe überholen manche in diesem Alter vielleicht sogar selbst schon den Papa, intellektuell kommen sie auch immer mehr auf Deine Augenhöhe.








Und wirklich: Es gibt ganz viele dieser Momente, in denen Du so stolz auf dieses große Kind sein wirst.
Vierzehn!? Darüber muss ich heute fast lächeln…

… denn dann kommen eben genau die anderen Dinge!
Vielleicht ganz andere Sorgen, als noch ganz kurz vorher.

Und eines muss ich sagen, viel Zeit bleibt Dir nicht, um Dich vorzubereiten!

Du stehst tatsächlich morgens auf, denkst an nichts Böses, die Sonne lacht vom Himmel und überhaupt: Sie steht noch immer am Himmel, genau da, wo sie gestern um diese Zeit war. Und trotzdem ist alles anders.

Da schlummert plötzlich eine ganz neue Herausforderung für Dich. Eine, die Du locker nehmen kannst, oder an der Du Dich täglich neu reiben kannst, bis Dein so hochgeschätzter Familienfrieden im Nirvana verschwindet.
Das liegt tatsächlich sehr stark mit an Dir!
Was los ist?!

Plötzlich fordert dieses große Kind von Dir ganz andere Dinge.
Dinge, die sich eben auch ergeben, wenn man „auf Augenhöhe“ zu den Erwachsenen wächst.
Und plötzlich ist auch für die Eltern alles neu!

Da gibt es dauernd diese Fragen und Überlegungen, wo nachgeben, wo erziehen und vorallem: Spaß aneinander behalten!

Und noch etwas stellt sich ein!
Das, worauf Du jahrelang gehofft hast!

Dein Kind braucht Dich und Deine Liebe jetzt in manchen Dingen zwar ganz besonders, aber i
n manchen Dingen braucht es Dich nun tatsächlich nicht mehr.

Und diese Freiheit wird es auch einfordern!
Und das manchmal entspannter, manchmal umentspannter.
Je nach seiner oder auch Deiner hormonellen Verfassung.

Hast Du vor Kurzem noch Sonntagmorgens um sieben Uhr gefrühstückt, und bis dahin schon zwei Stunden mit diversen Bilderbüchern, Schattenspielen und Kuscheln, um die Zeit bis zum Hellwerden umzubringen, im Bett verbracht, weil Dein Kind wieder einmal um fünf Uhr vor dem Elterlichen Bett stand, wirst Du nun vielleicht die Erfahrung machen, dass Du um zehn Uhr mit Grummeln im Jugendzimmer begrüßt wirst, und Dein Teenie zugunsten der Bettwärme nur zu gern auf das - Dir hochheilige - Sonntagmorgen-Familienfrühstück verzichten möchte!

Im Grunde doch das, worauf Du jahrelang gewartet hast, oder?! Endlich ausschlafen.

Ja, so ist es - und doch: 
Plötzlich willst Du das so gar nicht mehr.

Plötzlich willst Du gar nicht hören: „Ich bin gleich verabredet!“, wenn Du freudig verkündest, dass das Pubertier und Du heute die einzigen zuhause seid, und Ihr doch dann mal wieder einen Fernsehabend mit Chips und Cola machen könntet.

Musstest Du nicht vor Kurzem noch darum kämpfen, an einem Freitagabend einmal allein einen „Erwachsenenfilm“ schauen zu können, statt immer die Zeichentrickfilme aus Super RTL?

Eigentlich wolltest Du es doch so haben, oder?!

Wie oft hast Du gedacht, das es toll sein wird, abends wieder einmal spontan mit Deinen Freundinnen um die Häuser zu ziehen oder einmal in Ruhe mit Deinem Mann essen zu gehen, ohne erst Taschen zu packen und die Kids zu den Großeltern auszuquartieren.

Und dann ist es auf einmal soweit!
Der Große findet es super, dass Du ausgehst.
Ja, legt es Dir sogar ans Herz, das mal zu tun.
Er selbst schlafe bei Freund A, B oder C, was an sich auch o.k. ist, aber Du fühlst Dich irgendwie überrumpelt.

So einfach soll das jetzt gehen?

Wo vorher immer jemand meinen Platz auf dem Sofa belagerte, und ich mich darüber gar nicht immer freute, ist jetzt manchmal gähnende Leere, weil man sich entweder mit Freund oder Freundin trifft oder mit seinen Freunden von seinem Zimmer aus chattet.

Und, wenn dann alle weg sind, weil sie verabredet, im Kino, auf Klassenfahrt oder sonst wo sind, dann bist Du völlig überrumpelt von der großen Freiheit, die Du plötzlich hast, und bekommst es vielleicht trotzdem nicht hin, Dich selbst zu verabreden und all die Dinge zu tun, die Du jahrelang auf diese Zeit verschoben hast, weil Du es so schnell und so endgültig dann doch nicht wolltest.

Und dann wächst eine ganz neue Erkenntnis in Dir:

DU WIRST GERADE ABGESTILLT!
Das tut weh, ist aber nötig!


Abstillen ist bei den wenigsten eine richtig gefühlsfreie easy-peasy-Angelegenheit. Da müssen wir uns nichts vormachen!

Ich habe meine Jungs beide gestillt und weiß noch, wie schwer für meine Jungs die ersten Tage des Abstillens war.
Nicht mehr kuschelig an Mamas Brust, kam da so ein doofes Plastikding daher.
Das hat beiden nicht gefallen, und da flossen richtig Tränen.
Sie wollten ja gar nicht weg von mir – aber, ich gebe es zu: ich ein Stück von ihnen.
Zumindest wollte ich ein wenig mehr wieder ich selbst sein, mehr Freiheit haben.

Und nun: Nun werde gerade ich abgestillt!

Du willst noch gar nicht weg, aber plötzlich – und das verspreche ich Dir: ganz ohne Vorwarnung! – setzen Deine Kinder Dir die Grenzen.
Fordern Intimsphäre, Freiheit und Unabhängigkeit.

Jetzt mußt Du Dein Kind loslassen, damit es bei Dir bleibt!

 „Cool bleiben!“ ist so eine Sache, und ich bin derzeit wirklich manchmal froh, dass mein Jüngster mir noch Zeit mit dem Abstillen läßt.


Aber im Leben wächst man ja mit seinen Aufgaben, und auch die Aufgaben ändern sich. Und die Zeiten zum Glück auch.

Und ich stecke ja noch mitten in meiner der Pubertät und lerne noch - und das finde ich gut - aber eines weiß ich schon jetzt ganz genau!

Ich habe immer wieder den Spruch gehört:
„Genieße Deine Kinder, denn sie sind so schnell groß!“

Und so ist es!
So eng werden sie nicht immer bei Dir sein.

So...! Das ist jetzt schon wieder ein so langer Post geworden. Dabei habe ich Euch zu diesem Thema noch so viel zu erzählen.
z.B wie - ich nenne es einmal - „interessant“ es sein kann, mit Pubertieren Jeanshosen zu kaufen, wie hilfreich die Ratschläge der Leute mit kleineren Kindern tatsächlich in dieser Lebensphase sind, und wie sehr Du andere Eltern lieben wirst, die ihre offene Erziehung auf die Deines Kindes ausweiten.
...denn eigentlich strampeln ja alle im gleichen, großen blauen Ozean…

Genießt die kleinen Gören!
Und die Großen sind auch ganz wunderbar!


Wer seinen Kindern beizeiten mit Liebe und Respekt begegnet, und sie mit Bedacht laufen läßt, damit sie gern wiederkommen, der wird’s schon nicht verkehrt machen.


Eure Lillewind



(Post approved by teeny)

1 Kommentar:

  1. wow... wirklich langer Text, aber ich habe immer wieder gegrinst, genickt, gegrinst, genickt.... Wir haben übrigens ein Enkelkind, dass wir, da die Tochter alleinerziehend ist, sehr eng betreuen. Die Maus ist vier und wir genießen die Zeit mit ihr sehr intensiv. Es ist anders, die Zeit jetzt als Großeltern. Aber sehr intensiv und wunderschön.
    Herzlichst
    Petra

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